Robert Harris – Abgrund

Buchbesprechung: Robert Harris »Abgrund«

Gelesen & Notiert von Alessa Schmelzer

cover

Inhalt

Sommer 1914. Die Welt am Rande der Katastrophe.
In London hat die 26-jährige Venetia Stanley – aristokratisch, klug unbekümmert – eine Affäre mit Premierminister H. H. Asquith, einem Mann, der mehr als doppelt so alt ist wie sie. Er schreibt ihr wie besessen Liebesbriefe und teilt ihr die heikelsten Staatsgeheimnisse mit.

Während Asquith das Land unfreiwillig in den Krieg gegen Deutschland führt, untersucht ein junger Geheimdienstoffizier die widerrechtliche Enthüllung streng geheimer Dokumente – und plötzlich wird aus einer intimen Affäre eine Angelegenheit der nationalen Sicherheit, die den Verlauf der politischen Geschichte verändern wird.

Weitere Informationen finden Sie auf der Website des Heyne Verlags.

Hardcover, Heyne Verlag
512 Seiten
ISBN: 978-3-453-27372-6
Hardcover 25,– € / eBook 19,99 € / Hörbuch 25,95 € bzw. 19,95 €

Aus dem Englischen von Wolfgang Müller

Harris führt uns zurück ins England des Jahres 1914, unmittelbar vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Noch ist alles gut, müssen Millionen junger Männer nicht in die Schützengraben auf dem europäischen Kontinent Schutz suchen …

Der Roman beginnt im Juli 1914, unmittelbar vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Die damalige Regierung unter Premierminister H.H. Asquith steht vor schwierigen Herausforderungen.

Noch leben die Engländer in Friedenszeiten, gehen schwimmen, amüsieren sich auf Parties, genießen ihr Leben. Zumindest jene, die der Upper Class angehören und ein finanziell sorgenfreies Leben führen. Ein begütertes und entspanntes Leben führt Venetia Stanley, Tochter aus reichem Hause. Die 27jährige ist noch unverheiratet, zum Ärgernis ihrer Mutter, die sie gerne unter der Haube hätte. Venetia indes hat andere Vorstellungen von ihrem Leben, sie sehnt sich nach Selbstbestimmung. Selbstbestimmt unterhält sie eine Affäre mit Englands Premierminister H.H. Asquith. Mit ihm tauscht sie sich auf Augenhöhe aus, unterhält sich angeregt über Politik und Literatur. Asquith vertraut Venetias Urteil vollkommen und so schreibt er ihr Tag für Tag gleich mehrere Briefe. Diese seine Briefe sind (Harris schreibt es in seinen Anmerkungen, die dem Roman vorangestellt sind) authentisch. (Asquith wird Venetia insgesamt rund 560 Briefe schreiben und auf diesem Wege einen Einblick in sein Leben als Privatperson und Premier gewähren.) Asquith, der verliebte Beau, der Venetia seiner inniglichen Liebe versichert und im nächsten Absatz jede nur erdenkliche TOP SECRET Mitteilung ausplaudert, die, würde sie in die falschen Hände geraten, die Sicherheit des Königreiches gefährden könnte.
Doch Asquith schätzt die politische Urteilskraft der jungen Venetia und so legt er seinen Briefen Kopien geheimer Depeschen bei, um im dringlich erwarteten Antwortbrief ihr jeweiliges Urteil darüber zu erfahren. Doch irgendwann tauchen diese geheimen Papiere an unterschiedlichen Plätzen in London auf. Da nur wenige Personen Zugang zu diesen Unterlagen haben, steht schon bald der Verdacht der Spionage im Raum. Die Spur führt einen jungen Geheimdienstoffizier direkt zu Venetia. Bald ist klar, in Venetia Stanleys Diensten befindet sich eine junge Deutsche … 

Fazit

In »Abgrund« erzählt Harris die Geschehnisse am Vorabend des Ersten Weltkrieges aus ungewöhnlicher Perspektive. Wir tauchen ein in die zentrale Schaltstelle der Macht, erfahren von Asquith aus erster Hand, was es bedeutet politisch ›in charge‹ zu sein und spüren nicht zuletzt den Druck, den seine Gegner auf ihn und seine Regierung ausüben. Asquith ist Der jungen Venetia vertraut er alles an … bis es ihr irgendwann doch zu viel wird und und sie die Reißleine zieht, mit ungeahnten Folgen … Geschickt verdichtet Harris Fakten und Fiktion zu einem rasant geschriebenen Roman.

Empfehlenswert.

Zum Autor

Robert Harris
© Bernd Hoppmann

Robert Harris wurde 1957 in Nottingham geboren und studierte in Cambridge. Seine Romane »Vaterland«, »Enigma«, »Aurora«, »Pompeji«, »Imperium«, »Ghost«, »Titan«, »Angst«, »Intrige«, »Dictator«, »Konklave«, »München«, »Der zweite Schlaf«, »Vergeltung« und zuletzt »Königsmörder« wurden allesamt internationale Bestseller. Seine Zusammenarbeit mit Roman Polański bei der Verfilmung von »Ghost« (»Der Ghostwriter«) brachte ihm den französischen »César« und den »Europäischen Filmpreis« für das beste Drehbuch ein. Die Verfilmung von »Intrige« – wiederum unter der Regie Polańskis – erhielt auf den Filmfestspielen in Venedig 2019 den großen Preis der Jury, den Silbernen Löwen. Robert Harris lebt mit seiner Familie in Berkshire.